Was ist der Unterschied zwischen Beratung, Coaching und Therapie?
Systemisches Coaching oder Training ist vermutlich nicht für alle Arten von gewünschten Veränderungen im Verhaltens- und Erlebensbereich gleich gut geeignet. Wenn jemand z.B. sein Erleben so interpretiert, dass er/sie „unter einem Trauma“ leidet, ist das wirkungsvollste was man wahrscheinlich nach dem heutigem Stand der Therapieforschung tun kann, eine auflösende Hypnose (EMDR), bei der mit einem besonderen Verfahren ein speziell ausgebildeter Therapeut den Patienten in seiner Phantasie in seinen Traum einer Entstehung führt um dort das Leid erzeugende Muster auf zu lösen. Und häufig genügt schon ein einziges derartiges Ritual um die Gespenster der Vergangenheit zu bannen.
Als besonders herausfordernd werden häufig gewünschte Veränderungen im Muster der Nahrungsaufnahme, bei Ess- und Trinkgewohnheiten erlebt. Fress- und Trunksucht galten zu den meisten Zeiten der Medizingeschichte als praktisch therapieresistent. Die Frage „Warum tust Du das bloß?“, von anderen oder dem Süchtigen an sich selbst gestellt, führt im Gegenteil auf noch direkterem Weg in den persönlichen Abgrund. Selbst wenn kurzfristig erwünschte Entlastungen durch Aufdecken von scheinbaren Ursachen, Hintergründen und persönlicher Lerngeschichte erreicht wurden, hat man langfristig doch immer wieder fehlende Nachhaltigkeit beklagt und so genannte „Rückfälle“ in alte Muster als geradezu unvermeidlich beschrieben.
Mag die Traumatherapie auch als Musterbeispiel dafür gelten, wie ein entsprechendes Ritual mit einem geschützten Blick in die so genannte Vergangenheit in hypnotischer Trance eine heilsame Veränderung in ein emotional aufgeladenes Muster bringen kann, so ist es die Behandlung von so genannten Süchten mit Hilfe des Coaching-Ansatzes. Und zwar insbesondere dann, wenn dieser Entwicklungs- und Aufbauprozess für neues Denken und Verhalten von der wirklichkeitserzeugenden Macht einer Gruppe in emotionaler Resonanz getragen wird. Für Süchtige aller Art war es noch nie besonders hilfreich, die Ursachen und oft frühkindlichen Wurzeln ihres unerwünschten Verhaltens auf zu decken. Im Gegenteil. Oft führte das „Ich bin halt so ...“ direkt auch zum „Ich kann nicht anders ...“.
Bei Psycho-Shows wie „The Biggest Loser“ beispielsweise ist dagegen sehr schön zu beobachten, wie nachhaltig doch neue Denk- und Verhaltensmuster - entsprechenden Willen und Zeitaufwand voraus gesetzt – erzeugt werden können, ohne die so genannten Ursachen auch nur eines Blickes zu würdigen. Oder wie ein Slogan der in der Suchtkrankenhilfe beispiellos erfolgreichen Anonymen Alkoholiker es ausdrückt: „Du musst nicht verstehen, warum Du zum Trinker geworden bist um das erste Glas stehen zu lassen.“
Oft hört man, in der Praxis sei die Grenze zwischen Beratung, Coaching und Therapie aber eher eine Grauzone und vielfach könne man gar nicht genau sagen, um was es sich nun jeweils handele, wobei diese Trennung auch eigentlich irrelevant sei, Hauptsache man helfe demjenigen der das wolle, sich in der gewünschten Weise zu verändern. Das mag wohl so sein, aber gleichzeitig sind Begriffe auch um so nützlicher, je besser man das, was sie bezeichnen, abgrenzen kann von dem, was sie nicht bezeichnen. Daher möchte ich vorschlagen, den Begriff der „Beratung“ in einem eher allgemeinen Sinne zu verwenden, wann immer es darum geht, jemanden durch Kommunikation dabei zu unterstützen, ein Problem zu lösen oder sich einer Lösung zumindest zu nähern.
Die Begriffe „Coaching“ und „Therapie“ würde ich dagegen gerne für die gezielte Unterstützung bei der Veränderung des Erlebens und/oder Verhaltens eines Anderen reservieren. Die Unterstützung des Unterstützung suchenden, im einen Fall „Coachee“ – im anderen „Klient“ genannt - kann dabei nicht nur durch Kommunikation sondern auch durch z.B. teilnehmende Beobachtung, wie beim Live-Coaching, oder kreative Aktionen, wie in der Gestalttherapie oder dem Psychodrama erfolgen. Der wichtigste Unterschied zwischen Coaching und Therapie wäre meines Erachtens darin zu sehen, dass sich ein Coaching vor allem auf die Zukunft richtet, auf Ziele und hilfreiche Ressourcen, die zum Aufbau von etwas neuem auf der Grundlage des Bestehenden dienen. Therapie dagegen handelt hauptsächlich von der Vergangenheit und hat vor allem die Auflösung von mentalem Leid und den Ursachen von Leid zum Ziel. Kurz gesagt: Coaching baut auf, Therapie heilt.
Natürlich können Coachingprozesse auch therapeutische Elemente enthalten und in Therapien wird häufig auch neues Erleben und Verhalten entwickelt. Aber ich würde beide Begriffe gleichwohl für die unterschiedlichen Ausrichtungen der Kommunikation des Unterstützers im Unterstützungsprozess reservieren. Die verzweifelte Mutter in oben beschriebener Szene, wäre dann also weitaus besser beraten, wenn sie statt des therapeutischen Ansatzes – „Warum hast Du schon wieder Dein Zimmer nicht aufgeräumt?“ – den Coachingansatz wählte: „Was brauchst Du, damit Du Dein Zimmer aufräumen kannst?“ Da aber sowohl Therapie als auch Coaching in jedem Fall Freiwilligkeit, also den Wunsch nach Unterstützung auf der anderen Seite voraus setzen, der hier weniger zu erwarten ist, wäre wohl in diesem Fall es sowieso die beste Idee, gleich den Verhandlungsansatz zu wählen: „Unter welchen Umständen würdest Du Dein Zimmer heute noch aufräumen?“