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13.02.2023

Spieltheoretische Aspekte von Verhandlungen

Was können Verhandlerinnen und Verhandler von der Spieltheorie lernen?

Kurz gesagt:

Die mathematische Spieltheorie, oft als attraktives, spielerisches Konzept missverstanden, ist in Wirklichkeit eine anspruchsvolle mathematische Disziplin, die sich weit von einer unbeschwerten Herangehensweise entfernt. Sie umfasst komplexe Gleichungen und theoretische Modelle und steht im Kontrast zu Schillers Ideal des spielenden Menschen, der in seinem Spiel seine wahre Menschlichkeit findet. Im Gegensatz dazu modelliert die Spieltheorie den Menschen als rational handelndes, eigennütziges Wesen, wobei sie die emotionalen, oft irrationalen Aspekte menschlichen Verhaltens vernachlässigt.

Ein klassisches Beispiel in der Spieltheorie ist das Gefangenendilemma, das in Verhandlungssituationen wie Wirtschaftsverhandlungen oder politischen Gesprächen auftritt. Zwei Parteien stehen vor der Wahl, zusammenzuarbeiten oder sich gegenseitig zu verraten, wobei die Entscheidung des einen die des anderen direkt beeinflusst. Dieses Modell demonstriert, wie komplex die Dynamik von Verhandlungen sein kann, insbesondere wenn das Verhalten und die Entscheidungen der anderen Partei in die eigenen Überlegungen einbezogen werden müssen.

In der Realität sind Verhandlungen jedoch komplexer und werden nicht nur von rationalen Überlegungen, sondern auch von moralischen Werten und emotionalen Bindungen geleitet. Ein Beispiel hierfür ist eine Geschäftsverhandlung, in der ein Unternehmen versucht, ein faires Abkommen mit einem Lieferanten auszuhandeln, um eine langfristige Partnerschaft aufzubauen, anstatt kurzfristige Gewinne zu maximieren. Hier zeigt sich, dass in der realen Welt oft nicht die maximale Ausnutzung des Eigeninteresses, sondern gegenseitiges Verständnis und Zusammenarbeit zu besseren Ergebnissen führen.

Die Spieltheorie bietet mit Konzepten wie Nash-Gleichgewichten und Rückkopplungsschleifen wichtige Werkzeuge, um die Dynamik von Verhandlungen zu verstehen. Doch in der Praxis sind Verhandler nicht nur strategische Akteure, sondern auch Menschen mit Gefühlen und moralischen Überzeugungen. In Verhandlungen über Klimaschutzmaßnahmen beispielsweise müssen Länder ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen mit der Notwendigkeit des globalen Umweltschutzes abwägen, wobei hier ethische Überlegungen und internationale Zusammenarbeit eine wichtige Rolle spielen.

John Forbes Nash Jr., der die Spieltheorie maßgeblich geprägt hat, liefert ein anschauliches Beispiel für die Anwendung der Theorie in verschiedenen Bereichen, von der Wirtschaft bis zur Politik. Nashs Arbeit zeigt, wie spieltheoretische Modelle Entscheidungsprozesse in komplexen Verhandlungssituationen erleuchten können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Spieltheorie zwar wichtige Einblicke in die Struktur von Verhandlungen bietet, ihre Anwendung jedoch im Kontext der realen Welt, in der Emotionen und moralische Überlegungen eine wichtige Rolle spielen, betrachtet werden muss. So liefert die Spieltheorie zwar ein Rahmenwerk für die Analyse von Verhandlungen, kann aber die menschliche Dimension dieser Interaktionen nicht vollständig erfassen.

Viele Studierende, die zum ersten Mal von der mathematischen Spieltheorie hören, fühlen sich davon angezogen, auch ohne genau zu wissen, worum es sich dabei handelt. "Mathematische Spieltheorie" klingt zunächst nach einer willkommenen Erleichterung etwa für Geisteswissenschaftler, die sich vielleicht vor komplexen Berechnungen und Genauigkeiten fürchten. Der Titel verspricht Freiheiten und Spielräume, wo vorher Strenge und Konsequenz herrschten. Leider ist die Realität jedoch enttäuschend: Statt einer Zuflucht für Schlendrian ist die Spieltheorie pure Mathematik, ein Etikettenschwindel für all jene, die sich von kopfrechnenden Präzisionsdenkern und Abstraktionsathleten einschüchtern lassen. Keinesfalls verwechseln sollte man die Spieltheorie mit der Spieletheorie, die vom Kinderspiel handelt und von der Pädagogik.

Ist bei Schiller noch der Mensch „nur da ganz Mensch, wo er spielt“, so führt die mathematische Spieltheorie nichts weniger als seine (theoretische) Abschaffung im Schilde und das mit Hilfe ausgefeiltester Gleichungen. Sie ist eine rationale Entscheidungstheorie, die von den unscharfen, spielerischen Anteilen des Menschen mit all seinen Erwartungen, Motiven, Werten, Begrenzungen, Phantasien und Emotionen völlig absieht und ihn sich als vernunftgesteuertes und rein am Eigennutz orientiertes Subjekt denkt. Außerdem handelt die Spieltheorie immer vom Zusammenwirken mehrerer Menschen, ja auch von den Vielen, auch von der Masse. Es ist DIE soziale Theorie für eine Seuche und deren Eindämmung. Zum Glück hat sie mit der Wirklichkeit nicht allzu viel zu tun.

Die Spieltheorie geht davon aus, dass alle immer nur an ihrem eigenen Vorteil interessiert sind. Nach ihr handeln zum Beispiel bei einer Seuche immer die Trittbrettfahrer am vernünftigsten.  Argumentiert man rein rational, kann man zum Beispiel sagen, dass es unvernünftig sei, ein – wie kleines auch immer – Impfrisiko einzugehen, wenn ohnehin Herdenimmunität herrscht, da genügend andere sich impfen lassen. Im Falle eines Lockdowns wäre es demnach am klügsten, den zu unterlaufen – sich aber nicht dabei erwischen zu lassen, wie einst der britische Regierungsberater Cummings, der infiziert aufs Land fuhr und seine Eltern besuchte oder sein Premier Johnson, der Partys feierte, wo er zuhause hätte bleiben sollen. „Lass die Anderen sich sozial verhalten und konzentriere Dich nur auf Deine Interessen. Wenn jeder an sich denkt, dann ist ja an alle gedacht?“ Dieses Leitmotiv der bekennenden Egoisten zeigt seine menschenfeindliche Haltung in solch einer Pandemie mit erschreckender Schamlosigkeit, aber enthüllt auch - wie in einem sozialpsychologischen Lehrstück - gnadenlos die tödlichen Auswirkungen für das gesamte System.

Es wäre aus spieltheoretischer Sicht zu erwarten, dass es am Ende alle tun und die Quarantäne zusammenbricht wie zum Beispiel in Russland. Handelt also der Mensch tatsächlich durch die Bank auf diese amoralische Weise rational, würde es nicht funktionieren, es gäbe keine Herdenimmunität. Was nun? Die Akteure sitzen in einem Dilemma. Eine typische spieltheoretische Situation, die sich in der Praxis aber zum Glück nur teilweise so entwickelt, wie es die Theorie voraussagt. Ein Teil der Bevölkerung verhält sich so, tritt nur für den Eigennutz ein, nach dem Motto „nach mir die Sintflut“ bzw. die Infektionswelle. Aber nicht alle. Bei weitem nicht alle! Die Amoralischen sind eine kleine Minderheit. Die Mehrheit entscheidet eben nicht nur nach Kopf, sondern auch nach Bauch, nicht nur nach Profit, sondern auch nach Moral, nicht nur nach Verstand, sondern auch nach Herz.

Und das funktioniert in echten Demokratien einfach am besten, weil dort die Menschen auch gefühlt Teil einer Gemeinschaft sind und daran gewöhnt, mit der „Herde“ im Sinn zu handeln, auch wenn das eigene kleine Tun überhaupt keinen wahrnehmbaren Unterschied im Großen und Ganzen zu machen scheint, wie etwa bei Wahlen. Man handelt dennoch so, als machte es einen Unterschied, also im Grunde unvernünftig, doch da das viele tun, kommt halbwegs etwas Gescheites dabei heraus.

 

A Beautiful Mind

John Forbes Nash Jr. war ein US-amerikanischer Mathematiker und Ökonom, der als Begründer der Spieltheorie gilt. Er erhielt 1994 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften zusammen mit John Harsanyi und Reinhard Selten. Nash wurde am 13. Juni 1928 in Bluefield, West Virginia, geboren. Er studierte Mathematik und Chemie an der Carnegie Mellon University und schloss dort 1950 mit einem Bachelor-Abschluss ab. Anschließend ging er nach Princeton und promovierte dort 1952. Nash arbeitete in den 1950er und 1960er Jahren an der RAND Corporation und der Massachusetts Institute of Technology (MIT). Er veröffentlichte eine Reihe von Artikeln und Büchern über die Spieltheorie und ihre Anwendungen auf verschiedene Gebiete, darunter die Ökonomie, die Politikwissenschaft und die Psychologie.

Nash ist eine der schillerndsten Figuren in der Geschichte der Mathematik. Er litt seit seiner Jugend an Schizophrenie und hatte im Laufe seines Lebens mehrere psychische Krisen. Zweimal wurde er in psychiatrische Einrichtungen eingewiesen und hatte lange Zeit Schwierigkeiten, eine Anstellung zu finden. In den 1990er Jahren besserte sich sein Zustand und er kehrte an die Princeton University zurück, wo er als Professor tätig war. Nash starb am 23. Mai 2015 im Alter von 86 Jahren bei einem Autounfall in New Jersey. Sein Leben und seine Arbeit wurden in dem Oscar-prämierten Film "A Beautiful Mind" verfilmt, in dem er von Russell Crowe gespielt wurde.

 

Zur Geschichte der Spieltheorie

Die mathematische Spieltheorie ist eine interdisziplinäre Entscheidungstheorie, genauer gesagt: Sie ist die prominenteste Entscheidungstheorie und neben der Systemtheorie eines der wissenschaftlichen Gedankengebäude, das auch außerhalb der etablierten Wissenschaften im Laufe der vergangenen Dekaden immer attraktiver - um nicht zu sagen „sexy“ - geworden ist. Zahlreiche der letzten Nobelpreise in Wirtschaftswissenschaften gingen an Spieltheoretiker. Als Entscheidungswerkzeug hat sie auch eine hohe Alltagsrelevanz, denn eine der typischen Herausforderungen des menschlichen Lebens besteht eben darin, Entscheidungen treffen zu dürfen - oder hier vielleicht besser gesagt: zu müssen. Wir haben einen freien Willen und damit tragen wir die Verantwortung für unser Handeln und dessen Folgen.

Menschen haben Absichten, Wünsche, Ziele und machen sich Vorstellungen darüber, was sein soll, bevor es ist. Solches intentionales (absichtsvolles) Verhalten ist dem Tier nicht möglich. Es handelt instinktgesteuert und hat auch bei den genetisch programmierten langfristigen Projekten, wie Nestbau, Aufzucht oder der Jagd in Gruppen keine wirkliche Entscheidungsmöglichkeiten, sondern handelt stets so, wie es handeln muss. Ein Tier entscheidet nichts, denn es macht sich keine Vorstellungen von der Zukunft. Und damit hat es keine Wahl. Ein Hund überlegt nicht, ob er bellen soll oder nicht. Er tut es einfach oder eben nicht. Es ereignet sich.

Das menschliche Gehirn dagegen produziert permanent Vorstellungen über mögliche Zukünfte und den Auswirkungen seiner Handlungen in diesen. Dadurch hat allein der Mensch eine Wahl und damit auch die sprichwörtliche „Qual der Wahl“. Um diese etwas zu reduzieren wurde die Spieltheorie erfunden. Sie erblickte in dem heutigen Klassiker „Theory of Games and Economic Behavior“ (1944) des Mathematikers John von Neumann und des Ökonomen Oskar Morgenstern das Licht der Welt. 

Rückkopplung

Das besondere an der Spieltheorie ist, dass man mit ihrer Hilfe Zusammenhänge besser beschreiben kann, bei denen das Geschehen nicht nur der eigenen Kontrolle unterliegt, sondern auch von anderen Akteuren und deren Verhalten beeinflusst wird. Wenn diese Anderen in so einer Situation auf das, was ich tue, reagieren, während ich gleichzeitig auf das, was die anderen tun, reagiere, zeigt   sich eine Rückkopplungsschleife. Dort kollabiert die lineare Logik. Wir drehen uns im Kreis: A reagiert auf B und B reagiert auf A und A reagiert auf B ... und so weiter und sofort ... und es ereignet sich „von Neumanns Katastrophe vom unendlichen Regress“ (Wilson). Damit kann keine Grundlage für eine Entscheidung gefunden werden. Im Alltag kommt deshalb jetzt das Bauchgefühl ins Spiel oder die Gewohnheit, die dann verhaltensbestimmend auftreten. In der Spieltheorie ist es die Strategie der Spieler, mag sie bewusst sein oder unbewusst.

Die Spieltheorie versucht dort Abhilfe zu schaffen und Rationalität durch Wissenschaft zu aktivieren. Sie kommt überall da ins Spiel wo es darum geht, die Anreize und das Verhalten von anderen in die eigenen Überlegungen einzubeziehen. Solche Voraussagen sind naturgemäß immer mit Unsicherheit behaftet und man geht ein gewisses Risiko ein, falsch zu liegen. Was das jeweils Beste ist, oder wie die Handlungsempfehlung letztendlich lautet, kann in solchen Situationen also immer nur in Wahrscheinlichkeiten ausgedrückt werden. Sicherheit gibt es keine. Es muss immer erst gespielt werden, bevor ein Ergebnis betrachtet werden kann. Hinterher ist man schlauer. In puncto Unwissenheit ist die Spieltheorie also dichter am echten Leben als so manche andere Wissenschaft.

 

Wahrscheinlichkeiten statt Sicherheit

Im Tagesgeschäft von Entscheidern äußern sich solche Wahrscheinlichkeiten als „Fingerspitzen-“ oder „Bauchgefühl“ oder „glückliche Hand“. Das Problem bei dieser Art von intuitivem Schlussfolgern auf der Grundlage ist allerdings, dass die neuronalen Systeme, die damit befasst sind, ziemlich störungs- und irrtumsanfällig sind und auf einer individuellen Datenbasis beruhen, also nur auf eigenen Erfahrungen.

Neben die mathematische Spieltheorie ist daher  - jedenfalls so wie Prof. Rieck sie präsentiert -  neben der Anwendung besonderer Verfahren der modernen Mathematik mit wenig Praxisrelevanz die Diskussion uralten Erfahrungswissens für wirksame Strategien und Taktiken für bestimmte typische, spieltheoretische Ausgangssituationen und Konstellationen, die man immer wieder erkennen kann um gute Vorhersagen zu machen.

Was jede gute Theorie leisten sollte leistet die Spieltheorie indem sie eine Metaperspektive anbietet, die es Akteuren erlauben kann, sich vom Geschehen zu dissoziieren und die Situation mit einem hilfreichen inneren Abstand zu betrachten. 

 

Heuristiken

Wo es keine Algorithmen gibt, greift der Mensch meist auf Erfahrungswerte zurück und bringt Heuristiken zum Einsatz, also Faustregeln aus der Praxis – für die Praxis. Für erfahrene Verhandler:innen fühlt sich eine Vorgehensweise oder Strategie einfach irgendwie „richtig“ an und wenn die Personen befragt werden, was und wie sie überhaupt agieren, können sie sehr häufig gar keine analytische Antwort geben.

So könnten Beobachtende leicht zu dem (falschen) Schluss kommen, Verhandlungsgeschick sei eine reine Talentfrage; Systematik und methodische Kompetenz durch „Bauchgefühl“ und gute Absicht zu ersetzen. Das ist blanker Unsinn. Selbst wenn Verhandlungstalent  durch bestimmte genetische Anteile beeinflusst und ein Teil seiner Varianz dadurch erklärt wäre, könnten wir uns als vergleichbares Beispiel einmal die Musikalität anschauen: Kein noch so großes Talent kann sich entfalten, wenn keine Praxis, spricht Übungsstunden und Auftritte, dazukommen. Manch eine:r wird mit einem Talent, groß wie eine Kirchenorgel geboren und lernt ein paar Kinderlieder darauf zu spielen und ein:e andere:r  bekommt vom Schicksal nur eine kleine Flöte zugemessen und lernt darauf so virtuos zu spielen, dass Dir die Tränen kommen. Das Entscheidende ist offensichtlich das Zusammenwirken von Übung und Talent.

 

Spielarten

Verhandlungen sind kooperative Spiele mit unvollständiger Information. Der Unterschied zw. kooperativen und nicht-Kooperativen Spielen: Bei ersteren können die Beteiligten Absprachen treffen. Typischerweise ist schon die Formalisierung einfacher Probleme mit Hilfe der Spieltheorie sehr kompliziert. Die Übersetzung von häufig unscharf definierten und meist eher gefühlten Regeln für das Verhalten am Verhandlungstisch ist unmöglich. Meist ist es noch nicht einmal möglich, Verhandlungsziele in das Abkürzungssystem der Mathematik zu übersetzen, geschweige denn Strategien.

Unter einer Strategie eines Spielers versteht man in der Spieltheorie einen vollständigen Plan darüber, wie sich der Spieler in jeder denkbaren Spielsituation verhalten wird. Durch die Strategie wird also das Spielverhalten eines Spielers vollständig beschrieben. Hierbei kann man sogenannte „reine Strategien“ von den  „gemischte Strategien“ unterscheiden.

Beim Prisoners Dilemma Game, einem nicht-kooperativen Spiel mit unvollständiger Information,  liegt das NASH-Gleichgewicht bei gestehen/gestehen. Aus Sicht der Gefangenen wäre aber leugnen/leugnen besser. Dazu aber müssten sie kooperieren, Absprache treffen, verhandeln.

 

 

First-Mover-Advantage

Beim Rubinstein - Verhandlungsmodell für nicht-kooperative Verhandlungen wird angenommen, dass jede Verhandlungsrunde unabhängig von den vorherigen ist. In der Praxis gilt das keineswegs. Verhandler lernen dazu. Im Wikipedia Artikel zum Rubinstein Modell wird an drei Beispielen gezeigt, dass es von Vorteil sei, den ersten Zug zu machen. Diese Beispiele sind für echte Verhandlungen irrelevant bzw. Extreme. Außerdem werden im richtigen Leben auch Züge zurückgenommen. Man kann sich in einem Zug nichts  sichern  wie etwa beim Schach, Monopoly oder dem Tor beim Fußball: Die Unterschrift erfolgt am Ende.

 

Homo Oekonomikus

Die vielleicht wichtigste Einschränkung der man bei Anwendung der Spieltheorie auf echte Verhandlungen unterliegt, ist die Unterstellung von Rationalität und ökonomischer Nutzenorientierung. Menschen verhalten sich im Allgemeinen nicht so, als sei ihr Verhalten von einer konsistenten Strategie geleitet, die vernunftgesteuert und auf den größtmöglichen pekuniären Nutzen ausgerichtet ist. Es gibt wichtigere Dinge. Gefühle zum Beispiel. Eine Möglichkeit, dies auch im Alltag einmal anschaulich und nachvollziehbar zu demonstrieren, bietet das sogenannte Ultimatum-Spiel .

 

Ultimatumspiel

Das Ultimatum-Spiel ist ein experimentelles Wirtschaftsspiel, das verwendet wird, um das Verhalten von Menschen in Bezug auf die Verteilung von Gütern zu untersuchen. Es wird normalerweise mit zwei Personen gespielt, wobei eine Person (der "Anbieter") einen bestimmten Betrag an Geld hat, zum Beispiel 10 Euro in 50 Cent Münzen, den er mit der anderen Person (dem "Empfänger") teilen muss. Der Anbieter kann das Geld auf jede Weise verteilen, die er möchte, aber der Empfänger hat das ultimative Sagen darüber, ob er das Angebot annimmt oder ablehnt. Wenn der Empfänger das Angebot annimmt, bekommen beide Personen das Geld, wie es verteilt wurde. Wenn der Empfänger das Angebot ablehnt, bekommen beide Personen nichts.

Das Ultimatum-Spiel wird häufig in der Verhaltensökonomie verwendet, um das Verhalten von Menschen in Bezug auf die Verteilung von Gütern zu untersuchen. Es gibt verschiedene Theorien darüber, warum Menschen in bestimmter Weise im Ultimatum-Spiel handeln, und das Spiel wird oft verwendet, um diese Theorien zu testen. Zum Beispiel gibt es die Theorie, dass Menschen im Ultimatum-Spiel tendenziell faire Angebote annehmen und ungerechte Angebote ablehnen, weil sie eine gewisse soziale Norm der Gerechtigkeit einhalten wollen. Diese Theorie wurde durch zahlreiche Studien bestätigt, die zeigen, dass Menschen im Ultimatum-Spiel tatsächlich eher faire Angebote annehmen und ungerechte Angebote ablehnen.

Betrachtet man diese extrem vereinfachte Verhandlungssituation, bei der es nur um zwei Entscheidungen geht, die von den Spielern nacheinander getroffen werden, einmal aus dem Blickwinkel der Spieltheorie und einmal mit Hilfe des Experiments, so zeigt sich in fast allen Fällen ein eklatanter Widerspruch zu Ungunsten der Theorie: Das Nash-Gleichgewicht für die Teilung liegt nämlich bei 50 Cent, dem kleinstmöglichen Wert. Weder kann Spieler 1 eine für sich noch günstigere Entscheidung treffen, noch kann Spieler 2 durch Ablehnen des Deals seine Situation verbessern.

Beide haben das Optimum erreicht und dennoch ist diese Einigung in der Praxis nahezu niemals zu beobachten. Höchst selten wagt schon Spieler 1 einmal dem Anderen eine solch einseitige Teilung vorzuschlagen, weil er - zu Recht - vermutet, dass die meisten den geringen Betrag ausschlagen und lieber gar nichts nehmen als sich  abspeisen  zu lassen.

Doch wie anders würde die Sache aussehen, wenn nicht 10 Euro sondern vielleicht 10.000 zu verteilen wären oder gar 10 Millionen! Wer schlüge 500 Euro aus oder gar 500.000 nur weil ein Anderer sich den Löwenanteil nimmt?

Aber damit ist eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung spieltheoretischer Konzepte auf Verhandlungen gefallen: Die Skalen-Unabhängigkeit. Für einen rational und strategisch handelnden Nutzenoptimierer mag es gleichgültig sein, ob es um 0,5 oder 500 Euro geht. Doch das richtige Leben und die echten Menschen und Systeme sind eben nicht so linear und deterministisch, wie es die Formeln benötigen, damit man damit rechnen kann. Hier müssen die jeweiligen Lösungen gefunden werden. Sie lassen sich nicht objektiv bestimmen. (Voraussetzung: alle Spieler legen alle möglichen Entscheidungen vor Spielbeginn fest. Dann hat jeder eine Strategie. (In der Praxis aber reagiert man auf den Zug des Gegenübers und das heißt, es ist eben nicht vorher festgelegt)

 

Die Verhandlungslösung ist ein spieltheoretisches Konzept zur Lösung von kooperativen Spielen. Dabei heißt ein Spiel kooperativ, wenn die Akteure durch ein abgestimmtes Vorgehen, d. h. durch eine gemeinsame Wahl einer Strategie, einen Zusatzgewinn gegenüber der Situation, in der jeder nur für sich spielt, erzielen könnten. Das ist in der Praxis der Grund dafür, dass Geschäfte miteinander gemacht und Verträge geschlossen werden.

 

Ein NASH-Gleichgewicht liegt vor, wenn beide eine Strategie gewählt haben und sich der Gewinn für jeden einzelnen bei Abweichen davon nur noch verschlechtern kann. Das Nash-Gleichgewicht ist ein Konzept aus der Spieltheorie, das besagt, dass in einem bestimmten Spiel kein Spieler einen Vorteil erlangen kann, indem er seine Strategie ändert, solange die anderen Spieler ihre Strategien beibehalten. Es gibt mehrere Nash-Gleichgewichte in einem Spiel, aber das stabile Nash-Gleichgewicht ist das, bei dem kein Spieler durch Änderung seiner Strategie einen Vorteil erlangen kann.

Ein Beispiel für ein Nash-Gleichgewicht ist das Gefangenendilemma. In diesem Spiel gibt es zwei Kriminelle, die entscheiden müssen, ob sie einander verraten oder schweigen. Wenn beide schweigen, bekommen beide eine geringere Strafe. Wenn beide verraten, bekommen beide eine höhere Strafe. Wenn einer schweigt und der andere verrät, bekommt der Verräter eine geringere Strafe und der Schweiger eine höhere Strafe. Das stabile Nash-Gleichgewicht in diesem Spiel ist, dass beide Kriminellen schweigen, da keiner einen Vorteil durch Verrat erlangen kann. Am besten aber stellt sich der, der die Absprache trifft, dass beide gestehen, dann aber dem Anderen in den Rücken fällt und leugnet. Aus Sicht der Spieltheorie ist meistens der Kooperative und der Ehrliche der Dumme. Mag das auch in etlichen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens der Fall sein, so ist es – zum Glück – doch nicht das alles bestimmende Element, wie das Ultimatum-Spiel verdeutlicht.

Ein anderes Beispiel für ein Nash-Gleichgewicht ist das Spiel der perfekten Informationen. In diesem Spiel haben zwei Spieler je einen normalen Würfel und müssen entscheiden, wie hoch sie wetten. Der Spieler mit dem höheren Wurf gewinnt die Wette. Das stabile Nash-Gleichgewicht in diesem Spiel ist, dass beide Spieler ihre Wetten entsprechend ihrer Wahrscheinlichkeiten für einen höheren Wurf machen. Keiner der Spieler kann durch Änderung seiner Wette einen Vorteil erlangen, da beide Spieler die Wahrscheinlichkeiten für den Wurf des anderen Spielers kennen.

Spieltheorie wird angewendet bei Abläufen, in denen sich die Akteure gegenseitig beeinflussen. Das Spiel schreitet Zug um Zug voran. Aber Achtung! Bei Verhandlungen ist das anders, denn es können Züge auch zurückgenommen werden.

Das Anwenden der mathematischen Spieltheorie erfordert die Annahme einer ganzen Reihe von Voraussetzungen, die man allerdings so in der Praxis nicht antreffen kann:

  • Rein rationales Entscheiden und Handeln
  • Orientierung am maximalen Eigennutzen
  • Unabhängigkeit der Strategien
  • Beibehaltung der Strategien
  • Transparenz von Informationen
  • Spielregeln, die allen bekannt sind
  • Gleiche Kompetenz der Verhandler

Wenn überhaupt, macht ihre Anwendung nur Sinn, bei nicht-kooperativen und Null-Summen-Spielen. Per Definition sind aber Verhandlungen kooperative Spiele, denn die Spieler können Absprachen treffen. Darum geht es ja gerade. Außerdem sind Business-Verhandlungen, die mit Verkauf und Kauf von Waren, Dienstleistungen, Immobilien usw. zu tun haben, auch gerade keine Null-Summen-Spiele, denn wenn die Zusammenarbeit funktioniert, haben beide etwas davon und der Topf des Gesamtnutzens dieser Transaktion wird größer. Es entsteht ein Mehrwert. Null-Summen-Spiele sind dadurch charakterisiert, dass so etwas nicht möglich ist. Da bleibt der „Topf“ immer gleich groß und das was die einen Spieler gewinnen, müssen die anderen verlieren.

Eine kooperative Strategie ist Element der Gesamtmenge der Strategien. Durch die Spieltheorie wird mathematisch formuliert, unter welchen Bedingungen kooperieren und verhandeln besser ist als nicht verhandeln und konfrontieren. Es braucht dazu einen Anreiz.

Eigenschaften, die eine (gute) Verhandlungslösung nach der Spieltheorie haben soll:

1. Pareto-optimal ist eine Verhandlungslösung, wenn sie keine gleichzeitige Besserstellung beider Akteure mehr erlaubt.

2. Symmetrie: Damit wird gefordert, dass sich die Verhandlungslösung in einer vollkommen symmetrischen Situation nicht ändert, wenn die Spieler ihre Rollen tauschen. Beiden Spielern wird gleiches Verhandlungsgeschick unterstellt.

3. Die Forderung nach Unabhängigkeit von positiven linearen Transformationen ist mathematisch sehr naheliegend und für viele mathematische Überlegungen auch unabdingbar. Für die Praxis bedeutet das, dass die Verhandlungen unabhängig von der Skalengröße der Verhandlungsmasse verlaufen. Da Verhandlungen Zeit und Ressourcen kosten, kann man für die Praxisrelevanz dieser Forderung Bedenken anmelden. Es macht in der Praxis eine Riesenunterschied, ob ich über 10 oder 10000 Euro verhandele.

4. Monotonie: wenn sich die Menge der möglichen Verhandlungslösungen vergrößert, verschlechtert sich dadurch kein Spieler.

Satz von Nash: Es gibt genau eine Pareto-optimale, symmetrische, von positiven linearen Transformationen unabhängige und von irrelevanten Alternativen unabhängige Verhandlungslösung.

Wenn zwei Spieler die hier genannten vier Forderungen an eine Verhandlungslösung akzeptieren, dann gibt es also in jeder Verhandlungssituation eine eindeutige Verhandlungslösung, diese nennt man die Nash’sche Verhandlungslösung.



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