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25.05.2014

NeuroSales® - Das Ende des klassischen Verkaufstrainings

Neue Erkenntnisse aus der Hirnforschung und ihre Auswirkungen auf die Ausbildung von Verkäufern - Ein Interview mit Dipl.-Psychologe Martin Heß

Herr Heß, macht ein Anzeigenverkäufer, der vor 20 Jahren sein Handwerk gelernt hat, jetzt nach neuen Erkenntnissen alles falsch?

Ich maße mir nicht an, das beurteilen zu können. Ich kann nur sagen, dass sich in unserem Berufsstand was den theoretischen Hintergrund aber auch die Methodik angeht, in den vergangenen 20 Jahren sehr viel getan hat.

Sind klassische Verkäuferschulungen heute überhaupt noch sinnvoll?

Nein. Meiner Meinung nach nicht. Das hat sich überlebt. Das Verkaufstraining hat seine Ursprünge in den 60er Jahren und war damals noch rein verhaltensorientiert. Es wurde Richtig und Falsch gelehrt. Man hat das gewünschte Verhalten trainiert und in den Seminaren eine Art Exerzierplatz-Atmosphäre erzeugt. Die Leute wurden mit der Videokamera gefilmt und hinterher wurde besprochen was richtig und was falsch war.

Welche psychologische Sicht steckte hinter dieser Vorgehensweise?

Dahinter steht eine mechanistische Sichtweise von Kommunikation. Man ging davon aus, dass es lineare Zusammenhänge gibt, ähnlich wie in der Physik, wo man durch bestimmte Ursachen bestimmte Wirkungen erzielt.

Diese Herangehensweise scheint heute überholt zu sein.

Wenn man die Ergebnisse der Wissenschaft ernst nimmt, ja.

Was ist die wichtigste Erkenntnis der neuesten Forschungen?

Wenn man sich die Ergebnisse der Forschungen in der Systemtheorie, der Sozialpsychologie usw. anschaut – eben all das, was sich in den vergangenen zehn, 15 Jahren getan hat – dann kommt man zu dem Schluss, dass sich menschliche Beziehungen eben nicht linear-kausal verhalten. Eine Beschreibung von Kommunikation in mechanistischen Begriffen greift daher einfach zu kurz.

Ich kann also nie sicher sein, dass das, was ich sage, beim Empfänger auch so ankommt, wie ich es meine?

So ist es. Das Gegenüber empfängt nicht irgendeine Bedeutung von dem, der etwas gesagt hat, sondern er gibt den Wörtern eine Bedeutung. Das ist der große Unterschied. Die Bedeutung einer Botschaft selber kann gar nicht transportiert werden.

Da sind Missverständnisse programmiert

Wir wissen heute aus der Systemtheorie, dass in ein neuronales Netz, wie es unser Gehirn darstellt, streng genommen gar keine Informationen von außen hinein transportiert werden können. Alle Informationen, die in einem neuronalen Netz vorliegen, hat dieses selbst erzeugt. Welche Assoziationen ich mit Wörtern bei meinem Gegenüber auslöse, das habe ich nicht unter Kontrolle.

Wovon hängt es dann ab, dass der Andere mich versteht?

Verständigung – und damit meine ich, dass der Empfänger mit Worten ungefähr dasselbe verbindet, wie der Sender – braucht Wohlwollen. Wenn dieses Wohlwollen beim Empfänger nicht vorhanden ist, dann wird es schwierig mit dem Bedeutungstransport.

Ist der Kunde aus irgendeinem Grund vergrätzt, werde ich meine Anzeige also nie los?

Nein, er wird dem Gesagten immer eine Bedeutung geben, die mir zum Nachteil gereicht. Er wird mir aus allem einen Strick drehen.

Was kann ich tun, wenn ich merke, mein Gegenüber ist mir oder meiner Tätigkeit gegenüber negativ eingestellt? Habe ich da überhaupt eine Chance?

Ja. Ich muss mich, wie gesagt, dem Thema Wohlwollen nähern. Es gibt zwei Ebenen auf denen Informationen verarbeitet werden. Die eine entspricht der Sachebene im Gespräch. Das ist eine langsame kognitive Informationsverarbeitung, bei der ich die Bedeutung dessen, was mir jemand sagt, zu entschlüsseln suche. Der zweite Kanal läuft eher im Verborgenen ab, unbewusst. Er ist wesentlich schneller und er transportiert emotionale Informationen. Auf diesem Kanal spüre ich eine Resonanz bei meinem Gegenüber oder eben nicht. Diese emotionalen Informationen sorgen dafür, dass ich mit meinem Gegenüber auf eine Wellenlänge komme oder nicht.

Wie schaffe ich als Verkäufer eine wohlwollende Atmosphäre?

Seien Sie vor allem authentisch. Das ist wichtig. Genauso wichtig wie aufzunehmen, welches Feedback vom anderen kommt. Zeigen Sie kein künstliches Verhalten, halten Sie keine Maske vors Gesicht, sondern lockern Sie die Kontrolle. Anders gesagt: Machen Sie aus Ihrem Herzen keine Mördergrube.

Außerdem sollten Sie eine offene Wahrnehmung trainieren: Hören Sie dem anderen gut zu und sehen Sie auch mal von sich selbst ab. Versetzen Sie sich ganz in die Welt des anderen hinein.

In der klassischen Schulung hat man den Leuten erzählt, was sie tun müssen: Sie müssen auf die Körpersprache achten, sie müssen den richtigen Abstand wahren, sie müssen die richtigen Floskeln verwenden und so weiter. Das Ergebnis davon sei dann Sympathie. So einfach ist das aber nicht. In den ersten Sekunden findet ein halbwegs bewusster und größten Teils unbewusster blitzschneller Informationsaustausch statt, der einem einen Eindruck davon vermittelt, ob einem der Verhandlungspartner sympathisch oder eher unsympathisch ist.

Wie entsteht Vertrauen?

Das Vertrauen hat ein neurobiologisches Korrelat. Das ist die Oxytocin-Ausschüttung. Wenn das geschieht, erfolgt eine Bindung an unser Gegenüber und Vertrauen entsteht. Die Voraussetzung dafür ist die körperliche Anwesenheit und dass man sich gegenseitig sieht. Im Gespräch spiegeln wir uns ineinander und erzeugen so eine emotionale Tiefe. Diese Tiefe können Sie beispielsweise am Telefon nicht erzeugen.

Was wiegt im Gespräch schwerer? Das gesprochene Wort oder Mimik und Körpersprache?

Für die emotionale Information, die den Boden bereitet für die Interpretation des Inhaltes, ist die Stimme das Wesentliche. Ungefähr 80 Prozent der emotionalen Informationen werden über die Stimme transportiert. Deshalb klappt auch die Verständigung am Telefon relativ gut. Stimme macht Stimmung. Der Tonfall, die Lautstärke, das Tempo und natürlich die Wortwahl. Wenn man sich im Kundengespräch jedoch leibhaftig gegenüber sitzt, ist auch die Mimik von großer Bedeutung. Wir haben 42 Muskeln im Gesicht, die dafür da sind, emotionale Informationen zu transportieren.

Wenn wir von Angesicht zu Angesicht miteinander reden, dann sind wir nicht Sender oder Empfänger, sondern wir sind beides gleichzeitig. Während ich etwas erzähle, empfange ich zugleich etwas von meinem Zuhörer. Ich beobachte wie der andere reagiert, ob er nickt, ob er sich Notizen macht, ob er lächelt oder abweisend schaut. So entsteht zwischen den Gesprächspartnern ein kommunikatives Feld, in dem permanente Rückkopplungsprozesse stattfinden. Eine sogenannte Feedbackschleife.

Der Botenstoff Oxitocyn hat es in letzter Zeit zu einiger Berühmtheit gebracht? War die Wirkung von Oxitocyn lange nicht bekannt?

Die körperliche Komponente dieses Hormons kennt man schon lange. Man wusste zum Beispiel, dass bei der Geburt eine hohe Dosis Oxitocyn ausgeschüttet wird, die mit dafür sorgt, dass die Muttermilch produziert wird und eine Bindung zum Neugeborenen entsteht. Die Erkenntnisse über die psychischen Auswirkungen der Oxytocin-Ausschüttung die sind relativ neu.

Ist es ein grundlegendes Bedürfnis, anderen Menschen zu vertrauen oder sind wir von Natur aus eher misstrauisch?

Nein, das sind wir nicht. Die Ausschüttung von Oxytocin wird als sehr genussvoll erlebt. Oxytocin ist neben Endorphin und Dopamin eine der drei Glückssubstanzen.

Wenn alle Menschen auf möglichst optimale Verständigung aus sind, müssten Gespräche doch in der Regel gelingen.

Wenn es gut läuft, entsteht zwischen uns ein Resonanzfeld und das sorgt dafür, dass eben doch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Bedeutungsgebungsprozess sich beim Zuhörer ähnlich vollzieht wie beim Redner. Das ist die frohe Botschaft der evolutionsbiologischen Sichtweise.

Und dennoch verunsichert es mich, wenn ich weiß, dass ich es kaum steuern kann, wie ich auf den anderen wirke.

Der erste Eindruck, den ich hinterlasse, hat tatsächlich zunächst einmal herzlich wenig mit mir zu tun. Das, was bei diesem Kennenlern-Prozess aktiviert wird, sind Erinnerungen, es sind Muster, die sich in früheren Zeiten in unserem neuronalen Netz etabliert haben. Ob der innere Daumen hoch oder runter geht, entscheidet sich in den ersten Sekunden.

Also muss ich mir um den ersten Auftritt beim Kunden weniger Kopfzerbrechen machen als früher – wenn ich sowieso nicht beeinflussen kann wie ich bei ihm ankomme.

Ja klar. Hier ist Bescheidenheit angesagt und der Abschied von dem Versuch zu kontrollieren. Erst dadurch wird man authentisch. Dieses – salopp gesagt – Verkäufer-Getue war das Resultat des verhaltensorientierten Trainings. Man hat die Leute in Schablonen gepresst und hat ihnen eine Masche beigebracht.

Dann kann ein Verkäufer seine „Maschen“ ab sofort vergessen?

Wenn ich das bleiben lasse und wenn ich von diesem Richtig-Falsch-Denken wegkomme, dann habe ich die Chance, mich der Person, die mir gegenüber sitzt, auf eine authentische Weise zu nähern. Aus meiner Sicht sollte sich ein Verkäufer als erstes von der Vorstellung verabschieden, er könne kontrollieren, was im Gespräch geschieht. Das Entscheidende ist das Feedback. Ein guter Verkäufer nimmt die Informationen, die vom anderen kommen, auf.

Welche „Tricks“ in der Gesprächsführung, die man noch vor einigen Jahren anwandte, sind heute überholt?

Eigentlich alle oder auch keine. Man könnte sagen, in der modernen Physik ist die klassische Physik enthalten. So ähnlich ist es auch in der modernen Psychologie. Diese klassischen Sichtweisen, wie zum Beispiel die richtige Art jemandem die Hand zu schütteln, die richtige Art Floskeln zu verwenden, sich nach Knigge anständig zu verhalten, das ist sozusagen in der modernen Sichtweise mit enthalten. Aber es beschreibt nicht die ganze Wahrheit. Ich würde nie sagen, das sei alles Quatsch. Aber ich würde es nicht mehr so vermitteln.

Soll ich negative Gefühle, die im Raum stehen, ansprechen?

Ja, wenn ich ein Störgefühl habe, mich irritiert fühle, sollte ich das thematisieren. Man könnte zum Beispiel sagen: „Ich habe den Eindruck, Sie glauben mir nicht so ganz“. In dem Fall muss man als Verkäufer etwas gegen seine eigene Natur arbeiten.

Wie gehen Sie mit Menschen um, die Ihnen offensichtlich Missbilligung entgegen bringen?

Wenn mir jemand begegnet, der sich so verhält, dann mache ich mir zunächst einmal bewusst, dass das eine Reaktion auf mich ist. Ich könnte auch im alten klassischen Stil der Psychologie reagieren und sagen: Das liegt an seinem Charakter, oder an seiner Lerngeschichte oder wenn ich Psychoanalytiker bin, weiß ich natürlich, es liegt an seiner Kindheit.

Wenn ich mich jedoch der systemischen Sicht öffne, dann sehe ich das anders. Dann sehe ich zunächst einmal, dass mein Gegenüber seine eigene Geschichte hat. Die kann er haben, aber das was er jetzt zeigt, das zeigt er mir. In einem anderen Kontext würde er sich vielleicht anders verhalten. Wenn ich verstehe, dass das, wie er sich verhält, ein Feedback auf mein Verhalten ist, ob das absichtlich oder unabsichtlich ist, dann habe ich eine gewisse Freiheit gewonnen, etwas zu verändern. Dann erkenne ich, dass wir zwei Aspekte einer Sache oder eines Systems oder einer Beziehung sind.

Diese Sichtweise ermöglicht es mir unter Umständen, negative Reaktionen meiner Gesprächspartner nicht persönlich zu nehmen.

Ein guter Verkäufer kennt sein eigenes Reaktionsverhalten und spürt den Widerhall der Gefühle des anderen in sich. Das heißt, er kann unterscheiden zwischen seinem eigenen emotionalen Erleben, seinen Interpretationen und den Gefühlen des anderen und lässt sich dadurch nicht verunsichern. Das versteht man unter sozialer bzw. emotionaler Kompetenz.

Kann man das überhaupt lernen?

Klar kann man das. Und zwar in erster Linie über Selbstklärung. Wenn ich lernen will, andere zu überzeugen, dann erfordert das verantwortungsvollerweise, dass ich mit mir selbst im Reinen bin. So gut wie ich mich selbst kenne, soweit wie ich in meiner eigenen Persönlichkeitsentwicklung, also in der Selbstklärung bin, so gut wird es mir gelingen, Einfluss auf andere auszuüben und bei ihnen Veränderungsprozesse in Gang zu setzen. Kurzum: Wenn ich ein guter Verkäufer bin, meinem Gegenüber etwas zu verkaufen.

Werden Entscheidungen, zum Beispiel eine Anzeige in einem bestimmten Blatt zu buchen, nach rationalen Kriterien getroffen?

Entweder der Kunde glaubt ihnen Ihre Mediadaten oder er glaubt sie ihnen nicht. Entweder er vertraut Ihnen oder nicht. In diesen Zusammenhang ist natürlich die Überzeugungskraft des Verkäufers sehr wichtig. Was aber noch viel schwerer wiegt ist das Vertrauen und die Bindung, die der Kunde an Sie und das Unternehmen hat.

Neurobiologisch gesehen kann man aus den Untersuchungen, die im Rahmen von Neuromarketing gemacht wurden, heute klar und deutlich schließen, dass praktisch alle Entscheidungen, selbst die, die uns noch so rational vorkommen, durch emotionale Prozesse, die in der Tiefe des Gehirns stattfinden, vorbereitet und eingeleitet werden. Die moderne Neurobiologie sagt uns, dass unser Eindruck, dass es ein Ich gibt in uns, das sich an einem bestimmten Punkt dazu entscheidet etwas zu tun, Illusion ist. Dieses Ich gibt es nicht. Doch es handelt sich um eine durchaus sinnvolle Illusion. Es ist sinnvoll zu glauben, dass man verstandesmäßig die Wahl hätte. Aber die Wahrheit ist: Man hat sie gar nicht.

Herr Heß, ich danke Ihnen für das Gespräch.

(Das Interview wurde geführt von Michaela Schnabel)

 

Tipps

  • Nehmen Sie Tipps zur Kenntnis aber halten Sie sich nicht daran. Sie beschreiben nur Wahrscheinlichkeiten, die keine Sicherheit geben dürfen.
  • Tun Sie etwas gemeinsam mit Ihrem Kunden. Schaffen Sie gemeinsame Aufmerksamkeit gegenüber etwas Drittem. Präsentieren Sie etwas oder besuchen Sie beispielsweise gemeinsam eine Veranstaltung.
  • Geben Sie sich und dem anderen Zeit für emotionale Resonanz. Machen Sie Gesprächspausen.
  • Erzählen Sie nicht pausenlos sondern stellen Sie gute Fragen.
  • Gehen Sie mit einem guten Plan ins Gespräch, aber haben Sie auch die Fähigkeit, davon abzuweichen. Flexibilität ist eine wichtige Kompetenz beim Verkaufsgespräch.
  • Stellen Sie sich auf Ihr Gegenüber ein. Das ist wichtiger, als eine bestimmte Masche zu fahren.
  • Es gibt keine guten Argumente, sondern es gibt nur gute Argumenten für jemanden.


S.T.E.P. Training & Coaching, Martin Heß
Hausbergstrasse 23
35510 Butzbach / Hoch-Weisel
fon +49 (0) 6033-974 21 91
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